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Scheffe!

Zu den Zeiten, als ich bis zu 14 Mitarbeitende hatte, da war allen, die länger als die Probezeit da waren, klar, dass ich Scheffe bin. Scheffe? Ja, die bei uns genutzte weibliche Form von Chef, direkt ins Alemannische umgesetzt, inklusive der Schreibweise, heißt Scheffe.

Der Bewerber

Manche Herren schossen sich bei mir bereits im Bewerbungsgespräch ins Aus. Ein mittelalter Bewerber erzählte von sich, ein Monolog, dem ich nach einigen Minuten nicht mehr zuhören wollte. Ich nutzte eine Atempause um eine Frage zu stellen, er antwortete „Jetzt hören Sie mir erstmal zu.“. Kann man machen, also Mann konnte es offensichtlich machen. Für mich war er in dem Moment raus, ich sorgte dafür, dass das Gespräch schneller endete als geplant. In diesem Fall hätte er im Versanddepot mitarbeiten sollen.

Jungs, die IT lernen wollten

Junger Mann am Schreibtisch 2008 mit einem Riesenmonitor, hält sich ein Mauspad vors Gesicht und anonymisiert so das Bild perfekt..

Manche Jungs wollten Praktika, einen Ausbildungsplatz oder eine Studienarbeit bei uns absolvieren. Der ein oder andere kam weiter als der Herr oben und schaffte es bis zum Probearbeiten oder gar zu einem Arbeitsbeginn.

Ich bin kein „Sie-Mensch„, ich bin auch niemand, die mit Fachbegriffen um sich wirft, wenn es nicht nötig ist. Ich erzähle im Alltag nicht dauerhaft wie toll ich bin.

Viele großartige Mitarbeitende, Männer wie Frauen haben verstanden, dass meine Art nicht bedeutet, dass ich nichts kann oder dass ich akzeptiere, wenn Anweisungen nicht ausgeführt werden.

Manch ein junger Herr dachte insbesondere in der IT, er sei mir überlegen. Diese Anfänger unterschätzten mich. Manches machte ich nie gern und auch aus meiner Sicht nicht besonders gut. Mein gutes Diplom in technischer Informatik genügte jedoch in allen Fällen um den IT-Anfängern ihre Grenzen zu zeigen. Wer bei Videospielen Höchstlevel erreicht, hat damit noch keine Ahnung von Informatik.

Das Nichtwissen ist nicht schlimm. Schlimm ist, wenn Anfänger glauben mir erklären zu können, was in meinem Job richtig ist.

Fräulein

Blühende Frühlingsblumen in palettengroßen Holzkübeln auf Asphalt. Eine Figur sieht aus, als würden nur noch die Beine aus dem Kübel schauen, eine andere sitzt auf einem Barhocker, im Hintergrund eine Scheunentor, mit Bildbearbeitung steht Scheffe drauf.

Ich komme aus einer Zeit in der

„Grüezi Fräulein, händ Sie Hängenägeli?“

nicht ungewöhnlich war. Ich war Anfang der Achziger noch jung und arbeitete nach der Ausbildung in der Schweiz. Die „Hängenägeli“ brachten mich beim ersten Mal in Schwierigkeiten, so weit reichte mein Schwyzerdütsch selbst als Grenzkind nicht. Die Kundin suchte Hängenelken.

Fräulein“ war in Bereichen wie Verkauf, Gastronomie und ähnlichen in Deutschland altmodisch, aber noch üblich. In der Schweiz gab es nichts anderes. In Appenzell gab es erst 1990 das Frauenwahlrecht. Fräulein war insofern in den Achzigern nicht das größte Problem. Ich korrigierte das Fräulein im Kundenalltag meist nicht.

Girlboss?

Den Begriff las ich heute erstmals bei Anne-Luise in ihrem lesenswerten Blogartikel Girlboss.

Fräulein fühlte sich für mich abwertend an. Eine kleine Frau, nicht perfekt, aber doch zumindest eine Frau.

Girl oder Mädchen korrigierte ich meist, falls mich jemand so bezeichnete. Es schien mir völlig falsch. Girlboss kam bei uns wohl erst auf, als ich bereits weiße Haare hatte.

Scheffe.

Für mich sagt Scheffe sehr deutlich, dass es kein Mädel, keine kleine Frau, kein Girlie oder so ist, sondern jemand, die ernst zu nehmen ist.

Insofern bleibe ich bei Scheffe und wünsche mir, dass es noch vieles Scheffes geben wird.
Wer Fotos von der Scheffe sehen mag, schaue im oben schon einmal verlinkten Artikel Du hast immer eine Wahl.

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