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Randnotizen

Graue Haare im Job, nein, ich hab lange weiße Haare

„Huch, was ist das, ein weißes Haar?“

fragte meine Mutter sich und mich, da war ich acht Jahre alt und ja, es war das erste weiße Haar. Mein Großvater war rothaarig, sommersprossig und sehr früh weißhaarig, ebenso wie seine zehn Geschwister. Opas Töchter waren dunkelhaarig, hatten kaum Sommersprossen und färbten irgendwann ihre grauen Strähnen.

Sommersprossen, einzelne weiße Haare

Ute ca 1982 dunkelbraun mit RotstichIch hatte dunkle Haare mit einem Rotstich, helle Haut, Sommersprossen und die nächsten weißen Haare kamen bereits als Teenager.  Etwa mit zwanzig testete ich Strähnchen und zupfte die hellen Haare raus. Es waren keine grauen Haare, es waren immer weiße Ausreißer. Ausreißen, genau das war bald schon keine Option mehr, aber Tönungen waren modern, also tönte ich. Jedoch wurden es ímmer mehr der weißen Haare die in den dunklen Haaren am Ansatz sehr stark auffielen.

Nachhelfen bei der Haarfarbe

Ute 2001 dunkel mit Re-NatureIrgendwann wechselte ich zu einem Re-Natureprodukt, mit diesem entstand ein gleichmäßigerer Ton des ganzen Haars und der fiel weniger auf. Einige Jahre passte es ganz gut so, doch je mehr weiße Haare kamen, desto heller fiel das Ergebnis aus. Die Abstände es neu bearbeiten zu müssen, wurden immer kürzer. Ende 2004 ließ ich mich genau einmal überreden, dass Haare färben eine ganz tolle Idee wäre. Für wenige Wochen war die Haarfarbe auch noch einmal ähnlich wie damals als Teenager.

Zebra färben

Ute 2005 gefärbt rauswachsen lassenDunkel gefärbt bei an sich weißen Haaren ergibt keinen zarten Ansatz wie bei grauen Haaren. Es ist ein großer Unterschied, wie bei einem Zebra. Es ist auffällig, es ist ganz schlimm und es sieht wirklich furchtbar aus. Mir wurde empfohlen, zu färben und die Haare abzuschneiden. Meinen feinen, dünnen trockenen Haaren bekam das Färben nicht.

Abschneiden und weiter färben war für mich keine Option, es blieb also nur die Farbe rauswachsen zu lassen. Geduld ist sonst nicht meine stärkste Seite, aber es blieb mir nichts übrig. Entweder färben und / oder abschneiden, oder eben geduldig durchhalten bis die Farbe raus gewachsen wäre.

Rauswachsen lassen und kompetent wirken

In dieser Zeit war mein Glück selbständig zu sein. Zusätzlich war ich nicht darauf angewiesen, dass meine Haare meine Kompetenz zeigten.

Im Bereich Webapplikationserstellung ging es um Inhalte, und für Kunden waren die Menschen aus dem IT-Umfeld eh immer etwas suspekt, da wunderte sich auch über bunte, komische Haare niemand.
Es dauerte rund zwei Jahre, in denen es wirklich schlimm aussah. Friseurfachmenschen hielten tönen bei den weißen Haaren für ein Risiko und meinten, es könnte sich ganz unglücklich rosa, orange oder grünstichig verfärben. Deshalb widerstand ich der Versuchung doch mal eine Tönung zu nutzen.

Ute 2006 nur noch in den Spitzen RestfarbeEnde 2006 wurde es besser, letzte Reste in den Spitzen sahen gewollt aus. Jetzt war ich erstmals froh durchgehalten zu haben.

Kommentare zu weißen Haaren

Die Rückmeldungen hatten zwei Seiten, die einen meinten:

„Wie kannst du in deinem Alter nicht färben?! Das macht man nicht, ein flotter Kurzhaarschnitt und Farbe sind unumgänglich nötig!“

doch einige fanden:

„Wow, klasse ein junges Gesicht und weiße Haare sind wunderschön. Lass dir nichts einreden, bleib dabei!“

Ute 2007 weiße Deckhaare unten drunter noch dunkelEs klingt nicht, als wäre es so lange her, es sind jedoch fast schon zwanzig Jahre. Meine Entscheidung war damals eine Ausnahme.

Weißhaariger bunter Hund

Unterwegs auf der Straße  stupsten manchmal Kinder ihre Eltern an,

„Guck mal was ist mit den Haaren der Frau?“

Mein Gesicht war offensichtlich eben nicht siebzig, doch die Haare waren eben nicht grau, sondern weiß. Es war ungewöhnlich, es fiel auf, wie bei dem berühmten bunten Hund.

Damit umzugehen „bunter Hund“ zu sein, habe ich gelernt. Ich war in der ersten Ausbildung lange die einzige Frau unter Männern. Im Studium der Technischen Informatik kennt die ganze Hochschule, die eine Frau in dem Semester TI. Jeder Professor, alle Kommilitonen im Fachbereich kennen deinen Namen. Mit dieser Erfahrung als Hintergrund waren weiße Haare nicht schwierig. Wer jedoch lieber unauffällig im Hintergrund agiert, sollte auf lange weiße Haare besser verzichten.

Weiße Haare bleiben im Gedächtnis

Nach und nach hatte ich im Lauf der Jahre den Eindruck, dass mir die weißen Haare auch beruflich eher nützten. Man hielt mich für selbstsicher, denn ich zeigte ganz offen, dass ich mich nicht darum kümmerte, was für die Masse korrekt war.
Viele Jahre später kamen Modetrends wie silbern färben, es gab in Drogerien mehr als ein Silbershampoo und irgendwann sah ich erstmals eine andere Frau mit langen, weißen, offenen Haaren.

Ute 2021 weiße Haare Nicht nur ganz allgemein, sondern auch im Beruf und in der Karriere wird bei Frauen häufiger aufs Aussehen geachtet, als bei Männern. Und ja, manches was bei Männern als seriöse Kompetenz gilt, werten manche bei Frauen zunächst eher als gealtert und verbraucht.

Möglicherweise ist es mit altersgerechtem Grau schwieriger, zumindest fällt es sicherlich weniger auf.

Meine Erfahrung in den fast zwanzig Jahren weißer Haare ist, ich bin die, die entscheidet, was jemand in mir sieht. Wenn ich unsicher bin, wenn ich Angst habe nicht perfekt zu wirken, dann strahle ich das aus.
Als Ergebnis bedeutet das für mich etwas sehr gutes, denn das heißt, ich habe es in der Hand. Ich entscheide, wie ich gesehen werde. Die anderen passen sich dem an, wie ich auftrete.

Bis heute habe ich nicht einmal bereut bei meinen langen weißen Haaren geblieben zu sein. Für mich sind sie so richtig, wenn ich in den Spiegel schaue, sehe ich aus wie ich.

Dieser Artikel entstand anlässlich des interessant gewählten Themas für die Blogparade „Grey is beautiful“ – killen graue Haare das Business von Frauen? von Renate Schmidt. Als Inspiration stellten sie einige Fragen über die eigene Erfahrung, über die Selbsteinschätzung der Karrierechancen, aber auch über die eigene Einstellung zu sich und der Veränderung durch die Haarfarbe.

3 Antworten auf „Graue Haare im Job, nein, ich hab lange weiße Haare“

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